Kinder enterben – Was möglich ist, was zu beachten ist
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar. Für individuelle Fragen sollte stets ein Rechtsanwalt oder Notar konsultiert werden.
Warum überhaupt über Enterbung nachdenken?
In bestimmten familiären Situationen – etwa bei jahrelangem Kontaktabbruch, Streitigkeiten, familiären Zerwürfnissen oder besonderen Lebensumständen – denken manche Eltern darüber nach, ihre Kinder aus dem Erbe auszuschließen. Das deutsche Erbrecht sieht grundsätzlich vor, dass Kinder zu den gesetzlichen Erben zählen. Dennoch ist es möglich, sie in gewissem Rahmen zu enterben.
Was bedeutet „enterben“ überhaupt?
Wenn man ein Kind enterbt, bedeutet das im juristischen Sinne, dass es nicht im Testament oder Erbvertrag als Erbe berücksichtigt wird. Statt automatisch einen Teil des Vermögens zu erben, erhält das Kind dann nur noch den sogenannten Pflichtteil – und auch das nur, sofern bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind (z. B. vollständiger Pflichtteilsentzug, siehe unten).
Pflichtteil: Was bleibt Kindern fast immer?
Selbst wenn ein Kind durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wird, steht ihm in der Regel ein Anspruch auf den Pflichtteil zu. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – in Geld, nicht in Form von Sachwerten.
Ein Beispiel:
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Ein Elternteil stirbt und hinterlässt ein Kind.
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Nach gesetzlicher Erbfolge würde das Kind 100 % erben.
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Wird es enterbt, kann es 50 % des Nachlasses als Pflichtteil geltend machen (in Geldform).
Kann man den Pflichtteil ganz entziehen?
Ja, aber nur in sehr engen Ausnahmefällen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 2333 BGB) geregelt sind. Hier einige Beispiele aus dem Gesetzestext (vereinfacht dargestellt):
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Das Kind hat dem Erblasser oder nahen Angehörigen schweres Leid zugefügt (z. B. Gewalt, schwere Straftaten).
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Das Kind hat den Erblasser vorsätzlich schwer verleumdet oder bedroht.
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Es liegt ein schwerwiegender, nachhaltiger Kontaktabbruch durch das Kind vor (nicht durch die Eltern).
Ob solche Gründe vorliegen, kann nur durch gerichtliche Entscheidung festgestellt werden – die Hürden sind sehr hoch. Deshalb ist der vollständige Pflichtteilsentzug in der Praxis selten.
Form und rechtliche Anforderungen
Ein bloßes Gespräch oder ein Brief reicht nicht aus, um ein Kind wirksam zu enterben. Notwendig ist ein formgültiges Testament oder ein notarieller Erbvertrag, in dem ausdrücklich geregelt ist, wer Erbe werden soll – und damit indirekt auch, wer nicht.
Wichtig:
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Wird kein Testament gemacht, greift automatisch die gesetzliche Erbfolge.
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Ein handschriftliches Testament ist möglich, muss aber bestimmte Anforderungen erfüllen (vollständig eigenhändig geschrieben, unterschrieben, mit Datum).
Gibt es Alternativen zur Enterbung?
Ja, in der Praxis gibt es verschiedene Alternativen oder ergänzende Strategien, die mit Fachleuten abgestimmt werden können:
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Schenkungen zu Lebzeiten: Teile des Vermögens können vor dem Tod verschenkt werden – jedoch unterliegen auch diese ggf. Pflichtteilsergänzungsansprüchen.
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Nießbrauch oder Wohnrecht bei Immobilien: So bleibt der Nutzwert erhalten, ohne das Eigentum direkt zu übertragen.
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Testamentsgestaltung mit Pflichtteilsstrafklauseln: Z. B. „Berliner Testament“ mit Regelungen, die Pflichtteilsforderungen unattraktiv machen.
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Stiftungen oder Vermächtnisse: Um gezielt andere Personen oder Zwecke zu begünstigen.
Fazit
Das Thema „Kinder enterben“ ist komplex, emotional belastet und rechtlich anspruchsvoll. Wer diesen Schritt in Erwägung zieht, sollte sich umfassend informieren und professionellen Rat bei einem Anwalt, Notar oder Fachberater einholen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der eigene Wille auch tatsächlich rechtswirksam umgesetzt wird – und spätere Streitigkeiten vermieden werden.
📌 Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Er stellt keine Rechtsberatung dar. Bitte wenden Sie sich für individuelle Anliegen an eine entsprechend qualifizierte Fachperson.